Ein Aufzug als 3D Puzzle
Eigentlich ist es ja schon fast Routine für uns.
Doch dann, während des Ausbau’s treffen wir immer auf ganz neue, unerwartete Hürden.
Besonders wenn der Anspruch besteht, die betriebsfähige Anlage auch anderen Ortes wieder aufbauen zu können.

Teile_der_Kabine
Ich lege den Hauptschalter im Triebwerksraum um.
Schweren Herzens, denn es wird die letzte Fahrt sein.
Irgendwie grotesk! Die Anlage welche wir in mühsamer Kleinarbeit nach über 80 Jahren wieder zum Leben erweckt hatten, kommt nun wieder zur Ruhe.
Aber es hatte sich gelohnt! Diese alten Maschinen in Bewegung zu erleben, ist halt doch etwas ganz besonderes.
Doch darüber haben wir schon berichtet: Und er bewegt sich doch!
Doch dieses Mal lief es ganz anders als erwartet.
Keine festgefressenen Schrauben! Keine überdimensionalen Teile, die über irgendwelche steilen Stiegen, oder Fenster evakuiert werden mussten. Keine überanspruchten Bandscheiben!
Der erste Schritt war das Anhängen der Kabine auf einen portablen Hilfsmotor.
Denn erst dann können wir das originale Tragseil entfernen.

Aufrollen_des_Tragseiles
Die erste Überraschung kam beim Zerlegen des Motors.
Beim Entfernen einer Umlenkrolle kamen Blechplatten zum Vorschein, welche zum Beilegen verwendet wurden.
Wir stellten fest, das es sich um alte Benützungsvorschriften von Aufzügen handelte.

Blechplatten_Beilagscheiben
Stück für Stück verlässt ein Motorteil nach dem anderen den Triebwerksraum.
Die Teile waren bei diesem Aufzug bereits um einiges kompakter konstruiert.
Besonders die Treibscheibe, welche hier anstatt der um 1900 üblichen Seiltrommel montiert ist, machte dies möglich.
Seit den 1920er Jahren revolutionierte die Treibscheibe den Aufzugbau und lies auch größere Förderhöhen zu.

Vergleich_Trommel_Treibscheibe
Mit Hilfe unseres Hilfsmotors, schwebten die Eisenteile den Aufzugschacht hinab und wurden unten angekommen, von unserem muskulösen Schlosserteam beherzt ins Auto geschwungen.
Das wurde dann alles ins Depot transportiert und auch gleich wieder zusammengesetzt.

Zusammengebauter_Antrieb_im_Aufzugmuseum_Depot
Es geht im Schacht selbst weiter.
Als nächstes wurden die Führungsschienen ausgebaut.
Vom Dach der Kabine aus wurden sie Stück für Stück von oben nach unten abgeschraubt, und dann nach unten wegtransportiert.
Und auch hier, es ließen sich, zu unserem Erstaunen, auch die korrodiertesten Schrauben problemlos lösen.
Dies erleichterte die Demontage extrem und ersparte uns Teile zu beschädigen.

Lösen_von_Schrauben_im_Schacht
Als nächstes war die Kabine an der Reihe.
Das Wichtigste hierbei: Alle Schrauben welche nur von unten erreichbar sind, müssen vorab entfernt werden. Eine einzige vergessene Schraube kann beim Auseinandernehmen zu ernsten Schäden an den Holzteilen führen.
Mit großer Aufmerksamkeit wurde der Boden der Kabine akribisch nach Schraubverbindungen untersucht.
Da eine Kabine dieses Herstellers bereits von uns zerlegt wurde, hatten wir einen gewissen Vorteil.
Gerade als ich die letzte Schraube gelöst hatte, hörte ich auch schon eine vertraute Stimme im Stiegenhaus.
„Christian! Wo bist Du?“
Es war Veso Skoric, unser Aufzug Experte.
Wieder einmal nahm er sich ehrenamtlich die Zeit um uns zu helfen!
Dann ging alles ganz schnell.
Das Dach der Kabine wurde in zwei Teilen abgehoben.

Abheben_des_Kabinendachs
Die Wände, eine nach der anderen, wurde aus den Steckverbindungen gehoben, und die Teile wurden anschließend im Innenhof sorgsam aufgelegt und beschriftet.
Ein Bild was man nicht alle Tage zu sehen bekommt.

Franz,_Veso_und_ich_nach_erfolgreicher_Kabinen_Demontage
Eine weitere Besonderheit bei dieser Demontage. Auch die Gittertüre wurde nicht mehr gebraucht und durfte von uns in die Sammlung übernommen werden.
Zum ersten mal war ein Aufzug wirklich komplett!
In Etappen wurde dann die demontierten Teile in unser Depot verbracht.
Dort wurden sogleich Antrieb und Kabine wieder zusammengesetzt.
Ein weiteres Stück Wiener Aufzug Geschichte war gerettet!

Zusammenbau_der_Kabine_im_Museums_Depot
Nun kann auch für uns endlich die ruhigste Zeit des Jahres beginnen.
Aber lange wird dieser Zustand nicht andauern….
Denn das nächste Projekt steht bereits in den Startlöchern!
Und hierbei handelt es sich um nichts geringeres, als um einen Paternoster Aufzug…
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