Rückblick: Mein erster Aufzug - Wiener Aufzug Museum
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Rückblick: Mein erster Aufzug

In einer neuen Serie möchte ich euch unsere Aufzüge näher vorstellen.
Ihr werdet überrascht sein wieviel an Geschichte sich hinter jedem geretteten Stück verbirgt. Vor allem die Menschen, denen man begegnet sind es, welche jeden Ausbau besonders machen.

 

Ich_vor_meinem_ersten_Aufzug

Ich_vor_meinem_ersten_Aufzug

 

Das Jahr 2012. Der Maya Kalender verkündet das Ende der Welt.
Auch wenn dieses zum Glück nicht eingetreten ist, das Ende vieler originaler Aufzüge war damit besiegelt. Ebenso das jener Anlage, die meine erste werden sollte.
Derweil war dies zum damaligen Zeitpunkt gar nicht so klar.
Es hätte beim kompletten Aufzug bleiben sollen, der dann, eingebaut in ein kleines Privathaus, den Charme früher Aufzüge aufrecht erhalten sollte.
Nur wie so oft im Leben kommt es so oft anders als man denkt.

 

Zurück an den Anfang.

 

Wie_um_1900_lädt_die Kabine_zum_Einsteigen

Wie_um_1900_lädt_die Kabine_zum_Einsteigen (Foto: Christian Prinz)

 

Im Bewusstsein, dass die Zahl an alten Aufzügen aus 1900 rapide am Sinken war, durchkämmte ich die Wiener Stiegenhäuser.
Informationen waren Mangelware, es blieb mir also nichts anderes übrig als auf eigene Faust den Liftbestand der Stadt zu erfassen.
Durch mein Baustilwissen und Gespür für die Bausubstanz war es möglich, bereits von der Fassade auf ein etwaiges Vorhandensein eines interessanten Aufzuges zu schließen.

 

So hatte ich unter vielen anderen in einem Gebäude in der Wiener Schikanedergasse das Glück fündig zu werden.
Dieser erste Moment, wenn aus einer Vermutung Gewissheit wird, ist etwas ganz besonders.
Ist die Liftanlage noch funktionstüchtig, bin ich um eine Fahrt natürlich nicht verlegen.

 

Begleite mich auf meiner ersten Fahrt:

 

Wiener Personen Aufzug Baujahr 1904 from Christian Tauss on Vimeo.

 

Anschließend wird alles ausführlich unter die Lupe genommen.
Alleine dadurch konnte ich mir viel Fachwissen aneignen im Bezug Konstruktion und Ausführung der Lifte. Unterlagen gibt es ja kaum aus der Errichtungszeit.

Und das Unvermeidliche das meist dann passiert wenn ich mitten im Staunen bin: Eine Hauspartei betritt das Stiegenhaus.

Ich trat in diesem Fall die Flucht nach vorne an und sprach die Person an:

 

„Wundern sie sich bitte nicht, ich bestaune nur diesen schönen alten Lift. Der ist wirklich etwas Besonderes.“

 

Die Dame mittleren Alters, welche mir am Treppenabsatz gegenüberstand erwiderte:

 

,, Ja, der kommt aber weg!“

 

Schockiert blieb ich eine Antwort die gleichzeitig Frage war nicht lange schuldig:

 

„Wissen Sie, ich interessiere mich sehr für solche Anlagen. Haben Sie die Kontaktdaten der Hausverwaltung?“

 

Daraufhin stellte sich heraus, es gibt keine HVW, die Besitzerin des Gebäudes stand mir direkt gegenüber. Und Sie war meinem Anliegen, die Kabine zu erwerben, sehr positiv eingestellt.
Mehr Glück konnte ich also gar nicht haben!

 

Wir tauschten daraufhin unsere Kontaktdaten aus und blieben in Verbindung.
Fast zwei Jahre sollten nun vergehen bis die Sache mit dem tatsächlichen Umbau ins Rollen kam. Einerseits schön, weil ich in der Zeit noch oft mit dem Aufzug fuhr. Andererseits unruhig, weil ich ja nicht wusste ob sich an unserer mündlichen Abmachung etwas ändert.

 


Technischer Steckbrief der Aufzuges

  • Baujahr: 1904 

  • Hersteller: Füglister Aufzugfabrik Wien

  • Umbau: Wertheim 1958

  • In Betrieb bis zum 11.6.2011

 

Mehr zur Technik dieser Anlage in unserer Rubrik Sammlung


 

Die Sorge war aber zum Glück unbegründet, und so stand ich am 11.6.2011 um 7 Uhr vor dem Haus im 4. Wiener Gemeindebezirk.
Mein bester Freund Christian war auch schon da, bewaffnet mit seiner SW Mittelformat Kamera. Er macht echt super Fotos damit, wie Ihr noch sehen werdet!
Kurz darauf trafen auch die Monteure der ausführenden Aufzugfirma ein.
Drei echt nette Kerle mit denen wir uns auf Anhieb gut verstanden haben.

 

Blick_in_den_Schacht

Blick_in_den_Schacht (Foto: Christian Prinz)

 

Um kurz vor acht benutzte der letzte Fahrgast den Aufzug.
Danach wurde der Hauptschalter zum letzten mal umgelegt.
Es ging los.
Der Fliesenboden im Stiegenhaus wurde mit Abdeckfolie gut abgedeckt. Am Kabinendach eine von mir vorbereitete Holzplatte montiert um gut Arbeiten zu können.
Am Schachtkopf wurde anschließend der Hilfsmotor für die Demontage montiert. Die bestehenden Drahtseile gekappt.

Ich ging den Monteuren dabei zur Hand und lernte so sehr viel über das Handwerk. Christian dokumentierte daneben eifrig mit dem Fotoapparat.

 

Die_Führungsschinen_werden_demontiert

Die_Führungsschinen_werden_demontiert (Foto: Christian Prinz)

Schnell gehen die Arbeit von der Hand. Von oben nach unten wurden die Führungsschienen und sonstige Technik im Schacht abgebaut.
Um die Kabine nicht zu beschädigen trugen wir die Schienen händisch bis nach unten.
Im ersten Stockwerk spricht uns auf einmal eine ältere Dame an.

 

„Könnt ich mir eventuell das Schild aus dem Aufzug als Andenken behalten?
Sie müssen wissen, ich bin schon als Kind mit dem Aufzug gefahren.
Damals mussten wir aber noch den Portier rufen.“

 

Ich konnte es nicht glauben, der Aufzug war also vor seinem Umbau 1958 mit Handsteuerung betrieben. Und vor mir war eine Person die dies noch erleben durfte!

Mit Freude gab ich Ihr den Zettel aus der Kabine. Sie meinte mit Schuld nämlich den Aushang der Hausverwaltung bezüglich des Abbaues.

 

Im Erdgeschoß angelangt begannen wir am Tag zwei mit dem zerlegen der Kabine. Zusätzlich als Hilfe kam Veso Skoric. Der Chef der Firma Skoric Aufzüge KG, der ebenso begeistert von alten Liften ist wie ich.
Dank seiner Unterstützung wurde es mir überhaupt erst möglich, mit dem Sammeln zu beginnen.

 

Die_ersten_Schrauben_werden_gelöst

Die_ersten_Schrauben_werden_gelöst (Foto: Christian Prinz)

 

Überlegt musste an das Zerlegen herangegangen werden.
Die Schrauben waren sehr oft gut versteckt. Beschädigt sollte zudem auch nichts werden.

Dank Vesos Know How war es aber kein Problem diese Aufgabe zu lösen.
Ein Teil nach dem anderen wanderte daraufhin in den bereitgestellten Lieferwagen.

 

Wir waren alle sehr gut gelaunt und in der Mittagspause schmeckten die Wurstsemmeln gleich noch viel besser nach dem Teilerfolg.
In der Pause war auch Zeit mit dem Arbeitern der Liftfirmen über persönliches zu plaudern.
Wir lernten uns besser kennen, es wurde gelacht und gescherzt.
Ein gemeinsames Anstoßen mit den Energiedrinks läutete dann den zweiten Teil des Projektes ein.

 

Die Demontage des Antriebes.

 

Fragende_Gesichter_rund_um_den_Antrieb

Fragende_Gesichter_rund_um_den_Antrieb (Foto: Christian Prinz)

 

In einem Turmartigen Raum über dem Stiegenhaus befand sich dieses sehr sehr schwere Teil.
Selbst für die Profis jedes mal eine Herausforderung die teilweise 100 und mehr Kilogramm schweren Stücke zu entfernen. Gleich den alten Ägyptern beim Pyramidenbau wurde mit Seilen und Rampen gearbeitet. Alles konnte zerlegt werden, bis auf die Antriebswelle. Diese musste geteilt werden.

 

Zerlegen_des_Antriebes

Zerlegen_des_Antriebes (Foto: Christian Prinz)

 

Das schier unmögliche trat aber ein. Am Ende des zweiten Tages waren alle Teile des Aufzuges verladen.
Oder sagen wir fast alle. Denn das Gegengewicht konnte zum Glück dort bleiben wo es war. Im Führungsschacht im Innenhof.

 

Am darauffolgenden Tag gingen Christian und ich wieder daran dieses Aufzugpuzzle wieder zusammenzusetzen. Um im Lager Stauraum zu sparen, wird jede Kabine wieder zusammengebaut. Und das noch bessere daran, dadurch kann man auch nicht vergessen wie sie zusammengebaut gehört.
Der Antrieb hingegen blieb in zerlegtem Zustand. 

 

Zusammengebaute_Kabine_im_Lager

Zusammengebaute_Kabine_im_Lager

 

Es war ein sehr ungewohnter Anblick wie wir um ersten Mal eine Aufzugkabine ausserhalb eines Aufzugschachtes sahen.
Mittlerweile ist uns dieser Anblick schon vertraut geworden.

Denn wie Ihr seht ist aus dem anfänglichen Vorhaben, nur einen Aufzug zu bewahren nichts geworden.
Deshalb freut Euch schon auf die Geschichte unseres nächsten Ausbaues.  

 

Ein Dankeschön an dieser Stelle an  Veso Skoric, Christian Prinz und die Monteure der Aufzugfirma.
Wir waren ein tolles Team!

 

Lg
Christian