Die letzten Lifte des alten Karlsbad - Wiener Aufzug Museum
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Die letzten Lifte des alten Karlsbad

 

Dieser Tage flatterte ein Brief aus Karlsbad in mein Postfach. Meine Neugier war sofort geweckt, Karlsbad, DAS mondäne Kurbad der Kaiserzeit, was mag den Absender – Karel Hamberger – wohl ausgerechnet zu mir führen?

 

Es sind die Aufzüge der ehemaligen Hotels, Kurhäuser und Villen im Stil der Moderne, die die Wirren der Geschichte überlebt, ja durch die lange Zeit des Eisernen Vorhangs regelrecht konserviert wurden.

 

Abb. 1: Stillgelegter Aufzug im Villa "Liberty", Krále Jiřího Nr. 1106

Abb. 1: Stillgelegter Aufzug im Villa „Liberty“, Krále Jiřího Nr. 1106, Karlsbad

 

Post aus dem berühmten Karlsbad

 

Karlsbad wurde bereits im 14. Jahrhundert, aufgrund der Heilwirkung seiner warmen Quellen, in den Status einer Kaiserstadt erhoben, spätestens mit dem Bahnanschluss ab 1870 wuchs das Städtchen zu einem internationalen, immens gut besuchten, Kurort heran.

 

Mit den Kurgästen stieg um 1900 der Bedarf an noblen Grandhotels, welche in aller Welt von Anfang an Aufzugs-Pioniere waren.
Bis zu diesem E-Mail aus Karlsbad dachte ich, dass es aufgrund sukzessiver Modernisierungen generell kaum mehr Hotelaufzüge im Original-Zustand gäbe.

 

Nicht so in Karlsbad! Karel Hamberger, selbst staatlicher Denkmalschützer, erzählt von alten Aufzügen aus Wien, z.B. von Herstellerfirmen wie F. Wertheim und Comp. Theodor D’Ester, die heutige tschechische Republik war ja ein Kronland des Kaiserreichs.

 

Leider wurden viele Aufzüge bereits entfernt und alarmierend – eine aktuelle, neue Austausch-Welle, auf moderne Anlagen ist gerade im Laufen.

 

Firmenschild des Aufzugsbauers Wertheim zu Zeiten der Monarchie ca. 1912)

Firmenschild der Aufzug-Fabrik F. Wertheim & Comp. zu Zeiten der K & K Monarchie 

 

Der wirtschaftliche Aufschwung bringt aus Sicht des Denkmalschützers, halt oft nicht nur wünschenswertes mit sich.
Er erzählt weiters von einer Gruppe Enthusiasten, welche neben historischen Bauelementen, diese letzten historischen Lifte retten bzw. erhalten möchten.
Einige mitgesendete Fotografien, sowie die Erwähnung eines vorhandenen Kataloges, aus welchem die Kunden der damaligen Zeit ihre Aufzüge aus Wien bestellten, ließen meine Augen wie die eines Kindes glänzen.

 

By the way: sogar ein Kaffeezubereiter ist nach der Stadt benannt – die Karlsbader Kanne.

 

Karlsbader Kanne

Karlsbader Kanne (Kaffeebereiter)

 

Unser Entdeckungsdrang ist geweckt!

 

Das Team des Wiener Aufzugsmuseums war auch schnell begeistert von der Aussicht das schöne Karlsbad zu besuchen und seine historischen Aufzüge zu entdecken. Da ein Besuch zur Zeit – wir schreiben das Frühjahr 2021 – aber leider noch etwas warten muss, bat ich Herrn Hamberger uns in der Zwischenzeit doch etwas mehr zu erzählen.

 

Sein Bericht ist teilweise sehr detailliert, was Längen aber auch extrem interessante Informationen bringt.
Ich stelle ihn hier im Original ein, lest selbst!

 


 

Karlsbad – eine Initiative für den Lift

 

Ein Bericht von Mgr. K. Hamberger, Mgr. L. Zeman

 

Damit Karlsbad von immer mehr Kurgästen und Besuchern besucht werden konnte, wurden immer mehr Kurhäuser, Hotels und Pensionen gebaut. Diese Gebäude mussten jedoch auf dem richtigen Niveau sein, einschließlich der modernsten technischen Ausrüstung. Neben Warmwasser und Spültoiletten handelte es sich bei dieser notwendigen Ausrüstung hauptsächlich um Aufzüge. Diese erleichterten die Bewegung der Kurgäste im Haus, nach dem Spa-Tagesprogramm (Trinkkuren, Spaziergänge in den Kurwäldern).

 

Postkarte Karlsbad um 1910

Postkarte Karlsbad um 1910

 

Neue Zeiten

 

In den 1990er Jahren gab es in Karlsbad eine lebhafte Bauindustrie. Die historischen Gebäude wurden modernisiert (Kurhäuser, Hotels, Wohngebäude, Villen usw.). Seitdem gab es von Seiten der Denkmalschützer eine Menge Anstrengungen, um die entfernten Bauelemente (meistens Fenster, Türen, einschließlich Details, Griffe usw.) zu retten. Die Rettungsmaßnahmen wurden 1991 gebildet. Zur dieser Zeit stand nur der historische Stadtkern unter Denkmalschutz, seit 1992 ist es eine städtische Denkmalzone. Am aktivsten waren 2 Männer, und zwar L. Zeman (Denkmalschützer) und V. Dlesk (technischer Enthusiast und Spezialist). In diesen Anfängen wurden einige Bauelemente aus Containern gerettet und gesammelt.

 

Es fanden Ausstellungen statt, bei denen diese Elemente der Öffentlichkeit präsentiert wurden. Ein wesentlicher Teil der geretteten Artefakte wurde an die Sammlungen des Nationalen Technischen Museums in Prag übergeben, wo sie nun in einer umfassenden Architekturausstellung präsentiert werden. In ähnlicher Weise wurden diese Elemente erfolgreich in den Bauausstellungen im Zentrum für Bauerbe in Plasy in Westböhmen präsentiert (dies ist ein Zweig der oben genannten Institution).

 

Aufzüge sind eine der am schwierigsten zu rettenden technischen Geräte, da die Kabinen und die Komponenten sperrig und sehr schwer sind.

 

Der erste teilweise geborgene Aufzug war der Aufzug im Zawojsky-Haus im historischen Zentrum von Karlsbad (Tržiště Nr. 29). Das Jugendstil-Schutzgitter blieb erhalten. Gemäß der Dokumentation des Archivplans wurde eine Nachbildung einer nicht erhaltenen Aufzugskabine angefertigt. Im Haus „Osborne“ (Zámecký vrch Nr. 971) konnten im Rahmen der Modernisierung einige Maschinenteile gerettet werden, die jetzt temporär im selben Haus gelagert sind. In der Zukunft planen wir diese Maschinenteile in das Nationale Technische Museum  zu verlegen.

 

Villen und Aufzugs-Veteranen

 

Einige historische Aufzüge sind vor Ort erhalten, aber nicht mehr funktionsfähig, einschließlich festsitzender Aufzugskabinen und Maschinenräume mit Antrieben (z. B.(Abb. 1); Haus „Marius“, Zámecký vrch Nr. 411; Tržiště Nr. 380). In einigen Objekten sind die Kabinen noch als Dekoration der Treppenhäuser verblieben. An einigen Stellen aber seit Jahrzehnten außer Betrieb und sehr ungepflegt. Für die Dokumentation ist dies aber ebenfalls von großem Wert.

 

Abb. 1: Stillgelegter Aufzug im Villa "Liberty", Krále Jiřího Nr. 1106

Abb. 1: Stillgelegter Aufzug im Villa „Liberty“, Krále Jiřího Nr. 1106 (Foto: Mgr. K. Hamberger)

 

An einigen Stellen hingegen sind nur Aufzugs-Komponenten (Schutzgitter, Führungsschienen) erhalten geblieben, Aufzugskabinen fehlen bereits. Sie wurden wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entfernt. Ein Beispiel ist die Villa „Mitgart“ (Krále Jiřího Nr. 1183, Theodor D‘Ester). Beim Einsetzen eines neuen Aufzugs wurden diese Komponenten vor dem Recycling bewahrt und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern der Aufzugsfirma in ein Zwischenlager, das von V. Dlesk gemietet ist, transportiert (Abb. 2).

 

Abb. 2:   Aufzugskomponenten und Elemente aus Villa „Mitgart“ (Krále Jiřího Nr. 1183, Theodor D‘Ester), (Foto: Mgr. K. Hamberger).

Abb. 2: Aufzugskomponenten und Elemente aus Villa „Mitgart“ (Krále Jiřího Nr. 1183, Theodor D‘Ester), (Foto: Mgr. K. Hamberger).

 

In diesem Lager befinden sich auch eine Aufzugskabine, Aufzugskomponenten und Elemente aus dem technischen Hintergrund des Pupphotels (Dependance; Mariánskolázeňská Nr. 298 (Abb. 3) Theodor D‘Ester).

 

Abb. 3:  Gerettete Aufzugskabine aus dem Depandance des Pupphotels (Foto: K. Hamberger)

Abb. 3: Gerettete Aufzugskabine aus dem Depandance des Pupphotels (Foto: K. Hamberger)

 

Kürzlich wurden die Überreste eines speziellen elektrischen Aufzugs – Antriebsmechanismus, Räder (Abb. 4) – gefunden, mit welchem man mit Moortorf gefüllte Badewannen zu den Badekabinen im Kaiserbad (öffentliche Bäder; Mariánskolázeňská Nr. 306) transportiert hat. Wir überlegen, dass wir die alten Teile direkt in diesem Objekt (Kaiserbad) in die geplante Ausstellung eingliedern. 

 

Abb. 4: Überreste der Badewannen Hebevorrichtung, (Foto: Mgr. L. Zeman)

Abb. 4: Überreste der Badewannen Hebevorrichtung, (Foto: Mgr. L. Zeman)

 

Wir bleiben dran

 

Neben  Rettungsaktionen der Enthusiasten,  möchten wir uns auf die professionelle Popularisierung des Themas konzentrieren (Artikel über vertikale Straßen – Personen- und -Lastenaufzüge, Riemenscheiben, Wäscheabwurfschächte usw.). Die Anzahl der historischen Aufzüge in Karlsbad wird jedoch immer dünner und wir haben keinen umfassenden Überblick über den Erhaltungszustand. Aber wir bleiben dran und versuchen alles, was ist in unseren Möglichkeiten steht. 

 

Mgr. K. Hamberger, Mgr. L. Zeman

 


 

Auch wir bleiben dran und freuen uns schon auf einen Besuch, der hoffentlich im kommenden Sommer möglich sein wird, um mehr über die Karlsbader Aufzüge zu erfahren und dieser Initiative bei ihren Projekten mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Christian Tauss 
- Wiener Aufzug Museum –