Aufzugs Grüße aus Graz - Wiener Aufzug Museum
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Aufzugs Grüße aus Graz

 

Aufzüge aus den 1930er Jahren sind selten. Und noch dazu einen im Originalzustand zu finden, ist nahezu unmöglich. Einen solchen Glücksfund machten Tim und Patrizia in ihrem Haus in Graz, wo sie sich gerade eine Wohnung herrichten.
Anstatt das er auf dem Müll landet, war Tim bemüht dem Lift ein zweites Leben zu geben.
Er kontaktierte mich und weckte spätestens mit dem Zusenden einiger Fotos unser Interesse.
Die Sache was das Ganze etwas anders als sonst macht: der Ort des Geschehens war die Landeshauptstadt der Steiermark – GRAZ.

 

Ein erster Blick

Ein erster Blick auf den 1935 gebauten Aufzug

 

Eine Villa mit Fahrstuhl

 

Als ich die ersten Bilder von dem Aufzug sah, war es quasi schon um mich geschehen.
Auf den ersten Eindruck scheint es eine sehr einfache Konstruktion zu sein, doch beim genaueren Hinsehen entpuppen sich viele architektonische Details, welche die Zeit des Bauhaus Stils hervorbrachte.

 

Kabine mit Sitzbank und Geätzten Fenstergläsern

Kabine mit Sitzbank und geätzten Fenstergläsern

 

Einfache glatte Kabinenwände, jedoch Fenster mit geätzten Gläsern.
Moderne Druckknopfsteuerung in Kombination mit einem gepolstertem Sitzbankerl.
Auf dem prominent platzierten Typenschild steht mit Schlagziffern eingestanzt:
Jahr der Herstellung: 1935.

 

Druckknopftablou

Druckknopftablou und Aussenruftaste

 

Das Staunen setzt sich beim Triebwerk fort. Die bereits sehr kompakt konstruierte Maschine des bekannten Mailänder Aufzugbauers August Stigler faszinierte durch ihre Unversehrtheit. Sogar das zur Gerätschaft gehörende Originalwerkzeug war fein säuberlich hinterlegt.

 

Aufzugsantrieb mit Treibscheibe

Aufzugsantrieb mit Treibscheibe

 

Dafür verantwortlich ist, dass es sich bei dem Gebäude um eine private Villa handelt.
Direkt am Grazer Schlossberg gelegen, präsentiert sich das dreigeschossige Gebäude im typisch dörflich anmutendem Erscheinungsbild. 1827/28 errichtet, wurde es 1913 umgestaltet und präsentiert sich seither in Neobarocker Fassade mit Stuckkartuschen. 

 

Aussenansicht der Villa

Aussenansicht der Villa

 

1935 wurde schließlich noch der Aufzugschacht am Stiegenhaus angebaut, der Lift wurde im selben Jahr vom Wiener Hersteller Theodor ´d Ester Wien installiert. (Liftschacht im linken Bildteil erkennbar)
Die Kabine wurde in der Produktion in Wien Erdberg hergestellt und geliefert. Alle technischen Teile wurden direkt von Stigler Stammwerk in Mailand bestellt.
Theodor d Ester war bereits in der Monarchiezeit Lizenznehmer der Stigler Aufzüge in Österreich.

 

Am Antrieb finden sich die original Stigler Embleme

Am Antrieb finden sich die original Stigler Embleme

 

Ein erster Besuch

 

Es steht fest das ich mir diesen Lift in Natura ansehen will.
Bedingt durch unseren Tag der offenen Aufzugstüre vergingen aber zwei Wochen bis ich mich endlich in den Zug nach Graz setzen konnte.
Tim und seine Freundin Patrizia waren gerade beim Ausmalen ihrer Wohnung und nutzten meinen Kurzbesuch für eine willkommene Pause.

„Schön dass du da bist Christian, dann zeigen wir dir gleich mal das gute Stück“

 

Zu Besuch bei Tim und Patrizia

Zu Besuch bei Tim und Patrizia

 

Die Aufzugsanlage bediente nur zwei Haltestellen. Eine im Erdgeschoss, die Zweite im Halbstock über der 2. Etage. Ein Expressaufzug also, welcher nur für die damaligen Hauseigentümer diente. Dieser Umstand ist auch Grund dafür das der Lift komplett umgebaut wird, da er so wie er ist keine Barrierefreiheit bieten kann.

 

„Wunder dich nicht Christian, im Erdgeschoss haben die Arbeiten für den neuen Lift bereits angefangen, aber ich hab den Arbeitern gesagt sie sollen aufpassen das nichts kaputt geht.“ sagte Tim.

 

Bereits im Umbau befindliche Erdgeschoss Haltestelle

Bereits im Umbau befindliche Erdgeschoss Haltestelle

 

Was er damit meint ist, das die eiserne Türe im Erdgeschoss nur mehr provisorisch an der Mauer fixiert ist. Und auch in den Stockwerken waren bereits die neuen Durchbrüche im Mauerwerk hergestellt.

 

Scherzhalber sage ich: „ Na fein, dann können wir die Türe ja auch gleich mitnehmen“.

 

Bevor ihr euch jetzt wundert warum Tim mir da so ungehindert Tür und Tor öffnet: Das Haus gehört Patrizias Familie und die beiden haben die Ehre sich in die Rolle der Bauleitung zu kleiden. Daher war es Tim auch möglich uns offiziell auf den Plan zu rufen.

 

Besichtigung des original Stigler Antriebes

Besichtigung des original Stigler Antriebes (© little prinz productions 2020)

 

Nehmt euch mit was Ihr wollt

 

„Ihr könnt euch mitnehmen was Ihr wollt, den Rest baut dann die Aufzugsfirma ab“ sagte Tim.

Klarerweise ist es immer unser Anliegen die komplette Anlage samt aller technischen Teile wie Führungsschienen, Antrieb und Gegengewicht zu retten, um alles mal wieder authentisch aufbauen zu können. Das Zeitkorsett war diesmal aber sehr eng gesetzt. Die Arbeiten am neuen Aufzug sind bereits in Planung. Zusätzlich ermöglicht die Distanz zwischen Wien und Graz kein schrittweises Arbeiten. Der Ausbau muss zügig innerhalb eines verlängerten Wochenendes erfolgen.

 

Blick in den Aufzugsschacht

Blick in den Aufzugsschacht

 

Den ganzen Tag verbringe ich daraufhin im Haus um alles zu fotografieren und zu dokumentieren. Und das ohne Gefahr des Verhungerns, denn bewirtet werde ich mit leckerem Essen, steirischem Bier sowie gutem Kaffee.
Es ist als würde ich zum Freundeskreis der Beiden gehören. Beim Plaudern im Garten lernen wir uns dann schließlich auch persönlich besser kennen. Ich erfahre das die zwei Akroyoga machen und auch unterrichten. Die Folge daraus: Ein Akroyoga Fotoshooting im Aufzug.

 

Patrizia & Tim beim Akroyoga im Aufzug

Patrizia & Tim beim Akroyoga im Aufzug

 

Nach dieser Showeinlage beredeten wir dann die weitere Vorgehensweise.
Per Ellbogen Check, wie gerade üblich, und anstoßen mit einer Flasche Murauer Bier war es dann abgemacht. Am letzten August Wochenende 2020 sollten wir drei Tage in Graz am Werken sein.

 

Auf geht’s nach Graz

 

Mittwochabend in Wien. Ein bis unters Dach bepackter Lieferwagen mit allem was man in Graz so braucht. Komplettes Aufzug Demontage Werkzeug, drei Fahrräder und Bettzeug.
Mit guter Musik bahnen wir, das sind Chris, Ragnar und ich, uns den Weg über den im Mondschein liegenden Semmering.

 

Um kurz nach 22 Uhr treffen wir in unserer Wohnung in St. Leonhard ein.
Ihr habt richtig gelesen, eigene Wohnung! Denn durch meinen unheimlich lieben und vernetzten Freundeskreis bekam ich von der Freundin einer Freundin deren Freundin Wohnung zur Verfügung gestellt während Sie auf Urlaub ist. Einfach unglaublich schön dieses Vertrauen und diese Hilfsbereitschaft zu erleben!

 

Tag 1 — Es geht los

 

Tags darauf fahren wir mit Sack und Pack bei der Villa vor! Patricia gab uns einen Schlüssel zum Haus und wünschte uns viel Spaß. Wir sind ganz allein im Haus und können uns austoben.
Im ersten Anlauf versuchen Ragnar und ich uns an der Elektrotechnik. Zu schön wäre es, wenn die Anlage noch einmal fahren würde. Chris begleitete uns auf Schritt und Tritt dabei mit der Kamera.

 

Ragnar und ich inspizieren die Aufzugsmaschine

Ragnar und ich inspizieren die Aufzugsmaschine (© little prinz productions 2020)

 

Leider müssen wir den Inbetriebnahmeversuch aber aufgeben. Ein Fehler an einem Relais versalzt uns die Suppe.

Nach einem stärkenden Mittagessen im Laderaum des Lieferwagens geht es ans Ausbauen. In altbewährter Arbeitsweise wird mit dem Montieren des elektrischen Kettenzuges im Schacht begonnen, um die Kabine bewegen zu können.

 

Der Kettenzug wird montiert (© little prinz productions 2020)

 

Die knappe Zeit führt zum Kompromiss. Wir konzentrieren uns auf den Ausbau der Kabine und der Antriebsmaschine.
„Mehr wird sich in der kurzen Zeit nicht ausgehen fürchte ich“, sagte ich zu Chris und Ragnar.
Doch die Arbeiten gehen zügig voran. Am Nachmittag hatten wir die Kabine und sogar die Führungsschienen aus dem Schacht.

 

Kabinenteile vor dem Verladen

Kabinenteile vor dem Verladen (© little prinz productions 2020)

 

Zur Belohnung für unseren Erfolg ging’s mit unseren Fahrrädern abends zum wohl besten Italiener im Herzen von Graz.

 

Tag zwei — Schneller als gedacht

 

Was an unserer Grazer Leihwohnung noch ideal war, gleich gegenüber gab es eine der besten Kaffeebars der Stadt. Da ging das zur Baustelle radeln gleich nochmal so schnell.

 

Ein Guter Morgen beginnt mit Kaffee

Ein Guter Morgen beginnt mit Kaffee

 

Heute war die Demontage des gesamten Triebwerksraumes angesagt.
Stück für Stück wird die Maschine von Ragnar und mir zerlegt um sie daraufhin im Lieferwagen auf Europaletten auch gleich wieder eins zu eins zusammen zu setzen. Das hat den Vorteil des platzsparenden und sicheren Transportes, wie auch eines schnellen Entladens im Depot.

 

Zusammengebauter Antrieb im Lieferwagen

Zusammengebauter Antrieb im Lieferwagen

 

Schwerstes Teil war hierbei die Treibscheibe über welche das Tragseil läuft.
Genau dieses Antriebsteil ist es auch was diese Aufzugsmaschine für uns sehr besonders macht.
Diese Weiterentwicklung revolutionierte in den 1920er Jahren nämlich weltweit den Aufzugsbau und ermöglichte große Förderhöhen. Der Grundstein für den Bau von Wolkenkratzern.
So wurden solche Stigler Aufzüge, ebenfalls von der Wiener Firma Th. ´d Ester 1932 in das Wiener Hochhaus Herrengasse eingebaut.

 

Baugleiche Aufzüge im Hochhaus Herrengasse in Wien

Baugleiche Stigler Aufzüge im Hochhaus Herrengasse in Wien

 

Die Arbeiten liefen so gut von der Hand, das wir uns sogar mit dem Gegengewicht anfreundeten.
Sprich es ebenfalls von uns zerlegt und demontiert werden konnte.
Ein richtiges Workout mit den teilweise 75kg schweren Gussklötzen.
Tim staunt nicht schlecht, als er bei seinem Besuch sieht das wir jetzt den Schacht komplett leer geräumt haben.

 

Tag drei — Bis zum letzte Kilogramm

 

Am dritten Tag nährt sich unser Aufenthalt in Graz dann bereits wieder seinem Ende.
Bei einer Tetris Schlichtaktion im Lieferwagen wird die Nutzlast von 1500kg bis an seine Grenze ausgenützt. Bis zum Dach gefüllt ist daraufhin alles bereit zur Abfahrt Richtung Wien.

 

Voll bepackt gehts zurück nach Wien

Voll bepackt gehts zurück nach Wien

 

Wieder waren Tim und Patrizia im Maleroutfit als wir zum Verabschieden in ihre Wohnung kommen.
„Als kleinen Vorgeschmack aufs Aufzug Café gibts hier ein paar Köstlichkeiten für euch“ sage ich mit einem Schmunzeln, als ich ihnen ein Geschenksackerl überreiche.
Original Sacher-Würfel sowie eine Packung frisch geröstete Kaffeebohnen. Ein Stück Wien in der Stadt mit dem grünen Herz.
Danke euch für diese tolle Aufzugs Abenteuer!

 

Zurück im Depot

 

Halt Halt! Noch ist die Geschichte nicht vorbei. Wer soll denn den Lieferwagen sonst ausräumen?
Zurück in Wien und schließlich in Orth an der Donau wird natürlich alles wieder in alter Manier im Depot eingelagert. Die Aufzugskabine ebenfalls zusammengebaut. Zum Glück hat mein Vater Zeit und alles war zügig erledigt.

Beim nächsten Tag der offenen Tür können wir euch nun das Aufzugfahren der 1930er Jahre näher bringen. Wir freuen uns darauf!

 

Fertig aufgebaute Kabine in unserem Depot

Fertig aufgebaute Kabine in unserem Depot