Die unendliche Geschichte
Vom Kleinkind bis zur Omama:
Wenn von Aufzügen die Rede ist, dominiert er sofort die Gedanken.
Mit seinen unzähligen Kabinen, welche sich stets im Kreise drehen, beflügelt er die Phantasie der Menschen.
Und auch uns gibt dieses Transportmittel neue Rätsel auf!

Portal_eines _Paternoster_Aufzuges
Bereits lange geistert ein Gedanke in unseren Köpfen umher!
Ist es möglich, einen Paternoster für die Nachwelt zu erhalten?
Noch sind 7 Anlagen in Wien in Betrieb.
Darunter auch ein Exemplar im Haus der Industrie, aus dem Jahr 1910.
Er wird als ältester seiner Art weltweit eingestuft und von seinen Betreibern liebevoll in Schuss gehalten.
Doch das wird nur so lange möglich sein, wie es der Gesetzgeber erlaubt.
Denn im Moment rutscht der Paternoster durch alle Aufzugsvorschriften.
Als Umlaufaufzug wird er den Stetigförderern, wie z.B. Seilbahnen, zugeordnet.
Neuanlagen dürfen in Österreich zwar seit den 1970er Jahren nicht mehr errichtet werden,
in Betrieb stehende Anlagen sind jedoch bis auf Widerruf gestattet.
Die Stilllegung des Paternosters der ehemaligen E-Werk Direktion in der Mariannengasse 2015 war damals der Auslöser, mich mit dem Erhaltungsthema auseinanderzusetzen.
Erstmals bekam ich im Zuge meiner beruflichen Tätigkeit an der Haustechnik in diesem Gebäude einen Einblick hinter die Kulissen eines Paternosters!
Das war im Jahr 2013. Damals war alles noch in Bewegung.

Ich_vor_dem_Paternoster_der_E-Werk_Direktion
Mannshohe Zahnräder die sich Zahn in Zahn aneinanderreihen.
Der Geruch von Schmieröl, welches stetig auf die massiven Kettenglieder der Anlage tropft.
Ein Ticken was fast an eine Pendeluhr erinnert.
„Gut schmieren ist das A & O bei so einem Aufzug!“ ,erklärte mir der Haustechniker.

Zahnräder_der_Antriebsmechanik_im_Triebwerksraum_am_Dach
Er war für den Aufzug, gemeinsam mit einem zweiten Kollegen, verantwortlich.
Jeden Morgen wurde die Anlage von Ihm in Betrieb genommen, gewartet und abends wieder abgestellt.
Vor letzterem hatte er eine Kontrollfahrt zu absolvieren und dabei alle Sperrketten bei den Zugängen vorzuhängen. Anschließend war zu kontrollieren, dass sich keine Personen mehr in den Kabinen befinden.
Die Sperrkette ist bei jeder Zustiegstelle fix in den Portalen der Etagen eingebaut.
Mittels kleinem Gegengewicht an einem Ende wird die Kette in eine Öffnung zurückgezogen.
So ist keine umständliche Handhabung notwendig und das Risiko für Verletzungen im Betrieb gebannt.
„Kleinere Unfälle kamen ab und an auch schon mal vor!“, berichtete er mir.
Der spektakulärste Zwischenfall ereignete sich mit einem Arbeiter, der den Aufzug mit einer Leiter benützte.
Dabei ist das Befördern von Lasten bei dieser Aufzugsart strengstens verboten.
Auf das weisen auch zahlreiche Beschriftungen an den Zugängen hin.

Vorschriftentafel_bei_den_Einstiegen
Unbeeindruckt davon wagte der Mann es doch.
Zum Glück endete dieser Versuch „nur“ mit gesplittertem Holz!
Als die betroffene Kabine im Triebwerksraum an uns vorbeigehoben wurde, zeigte er mir die Beschädigung.
Deutlich konnte ich an den helleren Holzteilen erkennen wo etwas repariert wurde.
Die Gefahr eines Absturzes bestand jedoch nicht!
Alle Kabinen bestehen nämlich aus einem massiven Stahlkäfig, der die Holzwände umschließt.
Aber genau solche Vorfälle sind es, die unseren letzten Paternostern zum Verhängnis werden könnte.
Jetzt hab ich so viel aus dem Nähkästchen erzählt, dass ich Euch ganz die eigentliche Funktion und Geschichte der Paternoster vorenthalten habe!
Technik
Die Idee des Paternosteraufzuges begann bereits als von Personenaufzügen noch keine Rede war.
Beim Bergbau in England wurden damit bereits früh die Kohlenhunte (Transportwagen in Bergwerken) zu Tage gefördert.
Technisch einfach und effizient werden beim Paternoster System mehrere Kabinen an einer Kette im Kreis geführt.
Dadurch können hohe Transportkapazitäten erreicht werden.
Darum auch die technisch korrekte Bezeichnung „Umlauf-Aufzug“.
Bei Personen Paternostern sieht die Konstruktion wie folgt aus:
An zwei umlaufenden Kettensträngen, welche versetzt vom Keller bis zum Dach reichen, sind die einzelnen Kabinen befestigt, jeweils immer diagonal an der Oberseite des schon erwähnten Stahlkäfigs.
Dadurch können die Kabinen an den Enden einfach von einem Fahrschacht in den anderen umgesetzt werden.
Zum besseren Verständnis könnt Ihr euch hier ein Kurzes Video ansehen:
Geschichte
Die ersten Personen Paternoster wurden in London und Glasgow 1883 in Betrieb genommen.
Da sich dieses vertikale Transportmittel rasch bewährte, wurden auch bald in Deutschland die ersten Anlagen dieses Typs errichtet.
Mit der Einführung des Personentransportes etablierte sich auch rasch die Bezeichnung Paternoster, da die sich stetig im Kreis bewegenden Kabinen gut mit einen im Kreis gebeteten Rosenkranz vergleichen lassen.
So mancher schreibt den Vergleich mit diesem religiösen Ritus auch der Angst bei der Benützung zu.
Die Geschichte vom Kopfstand, sollte man nicht rechtzeitig aussteigen, wird auch heute noch gerne erzählt.
Diese ist jedoch völlig unbegründet!
Denn bei der Durchfahrt an den oberen und unteren Umkehrpunkten bleibt man mit den Beinen fest am Boden.
Das wird auch durch die entsprechende Beschilderung verdeutlicht.

Hinweistafel_an der Schachtwand_vor_den_Umkehrstellen
Um wieder auf das Thema des musealen Bewahrens zurückzukommen…
So groß wie das Interesse am Paternoster ist, so groß sind auch die Schwierigkeiten einer Demontage.
Seine Faszination macht aber vor allem den Reiz einer Fahrt aus.
Macht es deshalb Sinn, nur einzelne Teile eines solchen Giganten zu erhalten ohne dass sich diese bewegen?
Eine Frage, die nach langem Vertagen kurz vor Weihnachten wieder an Aktualität gewinnt.
Mein Telefon läutete, am anderen Ende ist der technische Leiter eines Baubüros mit den Worten:
„Wollt ihr einen Paternoster abbauen?
Wir hätten da einen zu vergeben!“