Hinter den Kulissen - Wiener Aufzug Museum
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Hinter den Kulissen

Ein Aufzug und seine Geschichten.

Auch beim erst kürzlich geretteten Aufzug in der Stadiongasse trifft das zu.

Mieter aus dem 4. Stock ließen uns an einem Stück Familien- und Aufzuggeschichte teilhaben.

 
Ein_Zeitzeugen_Interview

Ein_Zeitzeugen_Interview

 

Frau Eva Mühlbauer. und ihr Mann erwarten uns schon gemütlichen Café Eiles.

Es wird Wiener Melange und Apfelstrudel serviert.

Die beiden sind Mieter im altehrwürdigen Wohnhaus Stadiongasse Ecke Bartensteingasse.

 

 „Ich bin mit dem Aufzug seit 1962 gefahren. Meine Großmutter bereits einige Jahre früher!“

 

Der Aufzug war also bereits ein Teil der Familiengeschichte.

 

Originalzustand_im_Stiegenhaus

Originalzustand_im_Stiegenhaus

 

Ihre Großeltern, Anna und Gustav Weissert, waren die ersten in der Familie, welche in das Haus eingezogen sind.

Die herrschaftliche zur Stadiongasse gewandte Wohnung beinhaltetet, neben den heute üblichen Räumen, auch noch einen Salon und ein Klavierzimmer.

Im Salon ziert auch heute noch ein Lobmeyr Luster die Decke.

 

Die Räume wurden damals mit den originalen Kachelöfen geheizt, und zwar von den Gängen aus.

Das Personal, welches die Öfen befeuern musste, sollten die Herrschaftsräume nicht betreten müssen.
So war es zu Zeiten der Monarchie gedacht.

 

Inzwischen hat sich auch das geändert.

Ein modernes Badezimmer wurde von den Großeltern bereits in den 30er Jahren installiert. 

Gas schließlich in den 1950ern.

 

Dann kamen wir auf die Familie zu sprechen.

 

„Was das Gesellschaftsleben anbelangte hatte sich meine Großmutter stehts als Grand Dame gefühlt. Ohne Schminke ist sie nie ausser Haus gegangen.“

 

Frau Mühlbauer zeigt mir daraufhin eine alte Fotografie ihrer Großmutter Anna.

Und dieses unterstrich die Aussage voll und ganz.

Zu sehen war eine modisch im Stil der 20er gekleidete junge Frau.

Denn die Großmutter aus dem Jahrgang 1908 modelte auch in Ihrer Jugendzeit.

 

Die_Grande_Dame_des_Hauses

Die_Grande_Dame_des_Hauses (Foto Familie Mühlbauer)

 

Da sind das Badezimmer und nicht zuletzt der Aufzug sicher ganz nach dem Geschmack der Frau Omama gewesen, dachte ich schmunzelnd.

1943 wurde die Mutter Eva geboren und wuchs gemeinsam mit dem älteren Bruder Peter in der elterlichen Wohnung auf.

 

Nachdem die Großmutter keine Hausfrau war, erledigte diese Arbeiten die Haushaltsfee Frau Zeh. 

Sie kam jeden Tag morgens und fuhr abends wieder nach Hause.

Ihr Reich war die kleine Küche, welche nur sehr spärlich eingerichtet war. 

 

Für die Ordnung im Haus hingegen sorgte das Hausbesorger Ehepaar Mühlschuster.

Sehr resolut wurde vorgegangen wenn der Aufzug nicht, wie es die Betriebsvorschrift verlangte, nur zur Aufwärtsfahrt benutzt wurde.

Ein lautstarker Wortwechsel war hier schon mal an der Tagesordnung.

Aber auch bei der Anlieferung der Kohle ins Haus war stehts die Anwesenheit des Hausbesorgers gegeben.

In einen grauen Baumwoll- Arbeitsmantel gekleidet, war es sein Bedürfnis  sicher zu stellen, dass das Stiegenhaus nicht verschmutzt wurde.

 

„Sie müssen sich vorstellen, das Heizmaterial wurde mit Karren vom Kohlenhändler angeliefert.

Anschließend die einzelnen Jutesäcke vom Lieferanten in geflochtene Körbe umgefüllt und geschultert in den Keller transportiert.“erzählte uns Herr Mühlbauer.

 

Kaum mehr vorzustellen, heute, wo man nur mehr am Rädchen der elektronisch gesteuerten Heizung drehen muss. 

Wie wir so im Plaudern über die alten Zeiten sind zieht Frau Mühlbauer plötzlich ein Papier hervor.


„Ich dachte mir das Sie das eventuell interessiert, Herr Tauss.

Meine Eltern haben alle Dokumente, die mit der Wohnung in Zusammenhang stehen, immer sorgfältig aufbewahrt.“

 

Ich konnte es kaum glauben.

Das maschinenbeschriebene Papier war eine Abrechnung für die Umrüstarbeiten des Aufzuges von Gleich- auf Wechselstrom.

 

Original_Dokument_der_Aufzug_Sanierung_1957

Original_Dokument_der_Aufzug_Sanierung_1957  (Sammlung Fam. Mühlbauer)

 

 

Ein interessantes Stück Aufzugsgeschichte wird hier angesprochen.

Denn auch diese Umstellung des Stromnetzes in den 1950er Jahren fielen bereits viele Aufzüge zum Opfer.

Wir kamen auf die letzten Jahre des Liftbetriebes, beziehungsweise Liftstillstandes zu sprechen.

 

„Bis vor ca. 5 1/2 Jahren sind wir die letzten Jahrzehnte täglich damit gefahren. 

Vermutlich würde er auch heute noch funktionieren, wenn nicht durch behördliche Auflagen eine Stilllegung verordnet worden wäre. 

Wir waren immer beeindruckt von diesem unvergleichlichen Fahrgefühl und der Zuverlässligkeit dieser „antiken“ Konstruktion.“

 

Seit 2012 war der Lift stillgelegt.

Herr und Frau M bemühten sich um eine Lösung.

Ein Sachverständiger führte eine unabhängige Begutachtung durch.

Aber die Anstrengungen verliefen ohne Ergebnis.

  

Als ich das Gutachten durchblätterte sticht mir im Anhang der fotografisch dokumentierte Triebwerksraum ins Auge. 

Und was ich kaum glauben konnte: bis zuletzt war das originale Getriebe aus 1913, vorhanden geblieben. Einzig der Elektromotor wurde im Zuge der Umstellung getauscht. Damals gab es noch keine geplante Obsoleszenz.

 

Foto_des_Triebwerksraumes (TÜV Gutachten)

Foto_des_Triebwerksraumes (Foto TÜV Gutachten)

 

Konstruktionszeichnung_Antrieb_A._Stigler_Mailand

Konstruktionszeichnung_Antrieb_A._Stigler_Mailand (Sammlung Aufzugmuseum)

 

Schade das ich erst so spät von der Demontage dieser Anlage informiert wurde.

Die Antriebsmaschine war zu  Zeitpunkt der Kabinenrettung bereits entsorgt.

Die Hausinhabung war an eine stilvollen Sanierung leider nicht interessiert!

 

Und auch technisch war es ausgeschlossen, da durch den Dachbodenausbau und die damit verbundene größere Förderhöhe, ein Erhalt des alten Lifts nicht möglich war.

Aber es hätte schlimmer kommen können!

Währe die ausführende Firma nicht umsichtig gewesen, währe wohl nicht einmal die Kabine erhalten geblieben.

 

Frau Mühlbauer stimmte mir zu:

„Mein Mann und ich freuen uns sehr, dass der alte Aufzug in ein Museum kommt und nicht einfach irgendwo verschwindet.“

 

Mittlerweile war der Kaffee am Tisch kalt geworden.

Beim nächsten Zeitzeugen Gespräch dann doch besser kein Heißgetränk.

 

LG

Christian

 

PS: Ein großes Dankeschön an das Ehepaar Mühlbauer für die vielen Geschichten, Informationen und Fotos!