Mitten im Achten - Wiener Aufzug Museum
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Mitten im Achten

Eine engagierte Bewohnerin wollte das Verschwinden ihres Lifts nicht einfach so hinnehmen.
Nun wendete Sie sich an uns mit der Bitte, ihm ein neues Zuhause zu geben.
Ein interessantes Stück Aufzuggeschichte der 1930er Jahren erwartete uns.

 

Kabinenwand_verlässt_das_Haus

Kabinenwand_verlässt_das_Haus

 

Als mich Anfang Jänner eine E-Mail der österreichische Interessengemeinschaft der Architekturschaffenden erreichte, ahnte ich noch nicht, was da in einem Kellerabteil im 8. Bezirk schlummerte.
Bilder einer zerlegten Aufzugkabine weckten meine Aufmerksamkeit.
Nicht sehr aussagekräftig, aber schöne hölzerne Oberflächen, sowie eine rot gepolsterte Sitzbank reichten aus um rasch zu antworten.
Leider gab es kein Foto vom originalen Zustand, also war ein Termin zum Vorbeischauen rasch gefunden.

 

Mitten im Achten, am sogenannten Breitenfeld stand ich nun vor einem Gebäude, was wohl normalerweise keine Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Grau in grau, ohne großen Schmuck an der Fassade.

 

Fassade_mit_original_Putz

Fassade_mit_original_Putz

 

Doch das Wissen,  dass dieses Haus aus den 1930 Jahren stammte, ließ meine Blicke aufmerksamer werden.
Und tatsächlich, meine Vermutung wurde bestätigt.
Im Erdgeschossbereich waren oberhalb der Kellerfenster noch alte Luftschutzmarkierungen zu entdecken.
Ein Schauer durchlief mich in dem Moment, da eines der dunkelsten Kapitel unserer Geschichte so nahe schien.

 

Fassade_mit_Luftschutzmarkierung

Fassade_mit_Luftschutzmarkierung

 

Im Eingangsbereich setzt sich mein Staunen fort.
Dezenter Stuck an der Decke und typische Türen aus dunklem Holz erzeugten diese schwere Atmosphäre eines Zwischenkriegsbaus.

 

Eingangsbereich_mit_Aufzug

Eingangsbereich_mit_Aufzug

 

Beim Aufzug an sich sah es leider trauriger aus.
Nur mehr ein Rahmen aus Holz war original geblieben.
An der Namenstafel versprühte aber noch der Klingelknopf zum Portier, mit dem Zusatzvermerk: AUFZUG, ein Bild der damaligen Zeit.

 

 

Portier_Rufknopf

Portier_Rufknopf

 

Da kam auch schon Frau Finsinger, welche mich nun in den Keller führte um mir die originale Kabine zu zeigen.
Die Teile der Kabine wurden von mir akribisch auf Herstellerhinweise untersucht.
Leider blieb mir aber nur die Spekulation aufgrund von Erfahrungswerten.

 

Eine Petravic & Co müsste es sein!
Die Konstruktion und Art der verbauten Teile lässt mich ziemlich sicher sein!

 

antwortete ich der Kabineninhaberin.

 

Aufzugteile_im_Kellerabteil

Aufzugteile_im_Kellerabteil

 

Die Firma Petravic & Co war in Wien Hernals beheimatet.
Es wurden bis in die Zwischenkriegszeit auch Aufzüge hergestellt.
Parallel dazu auch Werkzeugmaschinen und Krananlagen.

 

Daraufhin kamen wir ins Plaudern und Frau Finsinger erzählte mir ihre Geschichte.

2008 war sie in das Haus in der Feldgasse eingezogen.
Bis März 2013 war der Lift noch in Funktion.
Die grünen 70er Jahre Türen existierten da aber schon.
Nach unten fahren war nicht möglich, die Steuerung dafür zu simpel.

 

Es handelte sich also auch hier um eine sogenannte Schubknopf Steuerung.
In den 30er Jahren war diese aber bereits technisch veraltet.
Erkennbar wurde somit doch die Wirtschaftskrise der damaligen Zeit.

Interessant war diese Anlage aufgrund Ihres Baujahres.
Aber durch die Tatsache, dass die technischen Teile des Fangrahmens fehlten, war meine Motivation diese zu erwerben auch etwas gebremst.
Ich machte ihr ein Angebot für die Liftkabine. Sie würde sich bei mir melden.

 

Zwei Wochen später klingelte mein Telefon:

 

 Also wenn sie noch möchten, können Sie die Kabine abholen um den Preis.

 

Am darauffolgenden Samstag standen Franz und ich auch schon in unserem Arbeitskleid mitten im Achten.

 

Die_Retterin_Frau_Finsinger_vor_"Ihrem"_Lift

Die_Retterin_Frau_Finsinger_vor_“Ihrem“_Lift

 

Zum erstem Mal wurden nun alle Teile sichtbar.
Die Kabine besaß sogar zwei Spiegel, welche korrespondierend angeordnet waren.
Als alle Teile erst mal aus dem Kellerabteil geborgen waren lies uns das die Möglichkeit eines Gruppenfotos mit der Retterin wahrnehmen.

 

Dann ging es aber ans Räumen!
Vorsichtig wurden alle Stücke einzeln vorsichtig das letzte Mal durch das Stiegenhaus getragen, von dem sie so lange ein Teil waren.
Besonders kraftraubend war das Transportieren des Bodens und des Deckenaufsatzes.

 

Abtransport_Kabinenboden

Abtransport_Kabinenboden

 

Die Wandelemente dagegen sind da schon bei weitem leichter.
Allerdings auch sperriger, was in dem schon eher engen Stiegenhaus ein gewisses Maß an Akrobatik erforderte.

 

Transport_durchs_Stiegenhaus

Transport_durchs_Stiegenhaus

 

Dabei fiel uns im Keller noch etwas anderes auf.
Auch hier war noch eine originale Luftschutzmarkierung vorhanden.
Die weißen Linien dienten als Orientierung der HausbewohnerInnen im Falle eines Bombenalarms.
Bei Stromausfall leuchteten diese Markierungen in der Dunkelheit auch nach.
Eine spezielle Farbmischung machte es möglich.

 

Luftschutzmarkierung_an_der_Kellerstiege

Luftschutzmarkierung_an_der_Kellerstiege

 

Zum Abschluss galt es noch die übrigen Kleinteile wie Schiebetüre, Sitzbank und Zierleisten zu verladen.
Das war für mich gleich wieder der Anlass noch einmal den Aufzug Alt und Neu gegenüber zu stellen.
Gemeinsam mit der Retterin natürlich.

 

Aufzug_alt_und_neu

Aufzug_alt_und_neu

 

Wie wir gerade im Erdgeschoss umher räumten kreuzte eine alte Dame unseren Weg.
Es war die 95 jährige ehem. Hausmeisterin Frau Reh.
Von 1979 bis in die 1990er Jahre war sie die gute Seele des Hauses.

Eine rüstige Frau der man ihr Alter bei weitem nicht ansah.
Unsere Fragen an sie thematisierten natürlich gleich den Aufzug.

 

Die originale Türe war auch aus Holz, berichtete Sie.
Auch dass im Stiegenhaus seitlich vom Schacht ein Loch in der Wand war.
Hier konnte man den Aufzug „RUFEN“ wenn er nicht im Erdgeschoss stand.

 

Gemeinsam mit alter und junger Zeitzeugin postierten wir nun alle nochmal vor dem Aufzugsportal. Und einen echten Aufzugslebkuchen gab es noch zum Abschied dazu.

 

Gruppenbild_mit_beiden_Zeitzeuginnen_zum_Abschied

Gruppenbild_mit_beiden_Zeitzeuginnen_zum_Abschied

 

Im unserem Lager ließen wir es uns natürlich nicht nehmen, das erworbene Stück gleich zusammenzubauen.
Und voila, nach knapp einer halben Stunde war die Kabine auch schon aufgebaut.
Ein einfaches Stecksystem der Wände macht es möglich.

 

Innenansicht_Kabine

Innenansicht_Kabine

 

Die Restaurierung wird aber noch einiges an Arbeit verschlingen.
Aber das gehört ja zum Hobby alte Lifte zu sammeln quasi dazu.
Einen Ort zum Restaurieren gibt es sogar auch schon.
Ich halte euch hier auf dem Laufenden wenn es los geht.

 

Bis dahin

 

Alles Liebe
Christian