Vom Suchen und Finden - Wiener Aufzug Museum
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Vom Suchen und Finden

Gerade dieser Tage, wo wir es uns zu Hause gemütlich machen, ist die Zeit um Geschichten zu erzählen. Darum möchte ich euch heute von unserem ersten großen Aufzugs Projekt erzählen, welches facettenreicher nicht hätte sein können.

 

Geheimnisvoll wartet dieser Aufzug seit 1945 auf seine Entdeckung.

Geheimnisvoll wartet dieser Aufzug seit 1945 auf seine Entdeckung.

 

Wir reisen zurück ins Jahr 2012. Ein herrlicher Spätsommertag im Wiener Prater lässt die Menschen das Freie suchen. Ich tue es ihnen gleich. Jedoch lockt es mich nicht primär in die grüne Lunge des 2. Wiener Gemeindebezirkes, sondern in die großbürgerlichen Prunkbauten des Pratercottage.

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstand hier eines der nobelsten Stadtviertel Wiens.
Die ehemalige Valleriestraße, welche heute anders heißt, bildet den Mittelpunkt dieses Stadtteils.
Die sechs Stockwerke zählenden Altbauten waren bereits standardmäßig mit Personenaufzügen ausgestattet, um dem modernen Wohnverhältnissen Rechnung zu tragen.
Die besten Voraussetzungen also für die Suche nach Aufzugs Oldtimern, war ich mir sicher.

 

Blick in die ehemalige Valleriestraße

Blick in die ehemalige Valleriestraße

 

Doch hier war es nicht immer so idyllisch. Das Viertel zwischen grünem Prater und Donaukanal durchlebte auch turbulente Zeiten.
Besonders zu Ende des zweiten Weltkrieges.
Drei Tage hielt sich die Frontlinie am Donaukanal bis die Deutschen zurückgedrängt werden konnten.
Dies sorgte für teils erhebliche Schäden. Vereinfachter Fassadenschmuck an den Jugendstilhäusern sowie Neubauten der 1950er und 1960er Jahre lassen erahnen wie es 1945 ausgesehen haben mag.

 

Die Suche beginnt

 

Mein Blick streift an den Gebäuden entlang, von dessen Zustand ich mir Indizien über deren Inneres erwartete. Diese Vorgehensweise hatte sich in der Vergangenheit als sehr erfolgreich erwiesen. Ein Gebäude sticht dabei besonders heraus.

 

Die Fassade als Indiz für das Innere

Die Fassade als Indiz für das Innere

Prunkvoll und doch irgendwie traurig blickt es auf mich herab. Eine Tafel am Eingang verkündet das es im Krieg beschädigt war. Derart vergessenen Häuser entpuppen sich nicht selten als wahre Schatzkisten.

 

Typische Wiener Wiederaufbau Hinweistafel

Typische Wiener Wiederaufbau Hinweistafel

 

Beim öffnen der Haustüre erblicke ich ein faszinierendes Vestibül welches dem eines Palais gleicht. Stuck wohin meine Auge blickt und eine Größe, dass ganze Kutschen hier einfahren können.
Nun stand ich da, vor der Treppe die mich ins Hochparterre hinaufführen sollte. Flankiert von mächtigen steinernen Blumenarrangements. Mein Puls beschleunigte sich mit jeder Stufe.
Als ich schließlich die Windfangtüre durchschreite, konnte ich meinen Augen nicht trauen.
Im Dunkel des nur schwach beleuchteten Stiegenhauses erblicke ich eine der wohl prunkvollsten Aufzugskabinen, die Wien wohl zu bieten hat.

 

Die prunkvolle Treppe im Vestibül

Die prunkvolle Treppe im Vestibül

 

Eine Zeitkapsel

 

Hinter der verhältnismäßig einfach gearbeiteten Gitterumwehrung, befindet sich eine mit Messingornamenten übersäte Mahagoni Kuppel.
In den feingliedrigen facettierten Fenstern brechen das wenige Licht in die Farben des Regenbogens.

 

Wie eine Zeitkapsel schlummerte dieser Aufzug seit 1945

Wie eine Zeitkapsel schlummerte dieser Aufzug seit 1945

 

Vorsichtig öffne ich mit einem einfachen Handgriff die Schachttüre.
Links und rechts der Kabinentüre waren die Steuerpanele welche mit verschiedenen Beschriftungen versehen sind.
Es handelt sich dabei um die Steuerarmaturen für das in Gang setzen der Maschine.

Auf einer Seite waren die Aufschrift AUF – HALT – AB zu lesen.
Gegenüber die Beschriftungen der Stockwerke.
Oben an der Türe befand sich sogar noch das originale Schild der Herstellerfirma.

 

Prunkvolle Messingverzierungen am Dach des Liftes

Prunkvolle Messingverzierungen am Dach des Liftes

 

Unter leichten Knarren schiebe ich die Kabinentüre auf.
Die Einrichtung ist komplett erhalten!
Sitzbank, Lampe, Schilder, und skurilerweise befindet sich auch ein Teil des Antriebes hier drinnen.

 

Innenansicht der Aufzugskabine

Innenansicht der Aufzugskabine

 

Im Rest des Stiegenhauses setzte sich mein Staunen fort.
Das Tragseil des Aufzuges verschwindet in einer gläsernen Decke.
Nur schemenhaft sind die Umrisse des Antriebes zu erkennbar.
Was sich dahinter wohl verbirgt? Die Dachbodentüre war leider verschlossen!

 

Das gläserne Dach des Stiegenhauses

Das gläserne Dach des Stiegenhauses

 

Natürlich packt mich beim Angesicht eines solchen Lost Elevators sofort meine Sammelleidenschaft.
Doch dachte ich mir: Also den Aufzug bekomme ich nie! Ausserdem hoffe ich ja immer auf eine Stilsanierung in solchen Fällen.

 

Der lange Atem

 

Um eine Kontaktaufnahme war ich allerdings trotzdem nicht verlegen.
Leider verlief diese nur mäßig erfolgreich.
Mein E-mail mit der Frage nach einer Besichtigung und was mit der Altanlage passieren soll wurde mit einer Standardantwort abgetan.
Aber das sollte nicht das letzte Wort gewesen sein!

 

Drei Jahre zogen ins Land, doch mein Gedanke an diesen Aufzug war noch ungetrübt.
Immer wieder führte ich “Kontrollbesuche” durch, um mitzukriegen wenn eine Bautätigkeit stattfindet.
Doch den entscheidend Hinweis fand ich im Internet.
Auf einem bekannten Onlineportal für Immobilien fiel mir eine altbekannte Fassade auf.
Das Gebäude im Wiener Pratercottage steht zum Verkauf!

 

Und was wird ein neuer Eigentümer wohl vorhaben denke ich mir: Klar, sanieren und verwerten!
Ich wandte mich wieder an die Hausverwaltung, und bekundete dort nochmals mein Interesse für den besagten Aufzug.
Und, ob ihr es glaubt oder nicht, drei Monate später bekam ich den Anruf eines Planungsbüros!

 

„Wir sind so froh das sich jemand dieser Aufzugskabine annimmt! Aufgrund der Bauvorschriften kann die Kabine leider nicht Stilsaniert werden.“

 

Mit so einer Rückmeldung hätte ich nicht gerechnet.
So traurig die Tatsache auch war, das dieser Lift in seiner jetzt Form zerstört werden sollte, so erfreulich war es das die Eigentümer trotzdem ein Gefühl für die Substanz hat und keinen überzogenen Preisvorstellungen äusserte.
Denn eine Stilsanierung ist durch die Bauvorschriften nicht möglich. Der Schacht durch dem Dachbodenausbau und Garageneinbau zu lang.

 

Im Zuge dessen war dann auch endlich eine Besichtigung des Triebwerksraumes möglich.
Und dieser stand der Aufzugskabine an Faszination um nichts nach!

 

Blick in den Triebwerksraum

Blick in den Triebwerksraum

 

Alte Bekannte

 

Die nächste unglaubliche Nachricht war das Schreiben eines Herrn Helmut P.

„Ich habe gehört das der Aufzug meines Geburtshauses zu Ihnen ins Museum kommt.
Das freut mich wirklich sehr!
Als sechsjähriger bin ich mit dem Aufzug noch gefahren! Die Hausmeisterin mussten wir holen um fahren zu können.
Gerne würde ich nochmal vorbeischauen bevor Sie mit den Arbeiten beginnen“

 

Was sich wie der Beginn einer Geschichte liest, sollte auch eine werden.
Ich werde sie Dir beim nächsten mal erzählen.
Und auch wie es zu unserem ersten Aufzug Kurzfilm kam.

 

Bis dahin, Gesund bleiben!

Alles liebe Christian

 

Mit Herrn P. bei "seinem" Aufzug zu Gast

Mit Herrn P. bei „seinem“ Aufzug zu Gast